"BLACK BROWN WHITE" Interviews - geführt von Gunnar Landgsell |
INTERVIEW MIT REGISSEUR ERWIN WAGENHOFER |
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BLACK BROWN WHITE ist Ihr erster Spielfilm. Er greift von der
Globalisierung bis zu Arbeitsverhältnissen und Orten viel Ihrer dokumentarischen
Arbeiten auf. War das die Voraussetzung für diese fiktionalisierte Geschichte?
Sie erzählen die Geschichte einer Flucht und die eines Schleppers. Im Lauf
der Handlung verschränken sich diese beiden Geschichten immer stärker. Was hat
Sie an diesem LKW-Fahrer interessiert? Der LKW-Fahrer, dargestellt von Fritz Karl, drückt sich recht
gepflegt aus. Er kommt, wie sich später herausstellt, aus einer Arztfamilie.
Warum dieser vermutlich eher ungewöhnliche soziale Hintergrund? Der Schlepper ist eine medial durchwegs negativ besetzte
Figur. Im Film wird der Fahrer unter dem Eindruck der Ereignisse zu einem
regelrechten Fluchthelfer. Wie wichtig war Ihnen, diese sich ändernde Haltung zu
zeigen? Fritz Karl ist einer der populärsten und meistbeschäftigten
Schauspieler des Landes. Wie haben Sie ihn für diese Rolle gewonnen? Die meisten der afrikanischen Flüchtlinge sind Männer. Warum
eine Frau mit Kind, warum ausgerechnet ein UN-Angestellter in Genf als Vater?
Es fällt auf, wie selbstbewusst und der Situation
entsprechend selbstbestimmt Sie die flüchtende Frau zeichnen. Haben Sie diese
Akteurin gegen übliche Stigmatisierungen positioniert? Clare-Hope Ashitey wirkt als illegale Migrantin in einer
Mischung aus Verletzbarkeit und Stärke sehr glaubwürdig. Wie haben Sie sie
vorbereitet? Sie haben an Ihnen bekannten Locations gedreht, wie im
andalusischen Almería. Wie war es, zwischen Plastik-Gewächshäusern und den
illegalisierten Arbeitern zu drehen? BLACK BROWN WHITE ist ein Film, der sehr behände und mit spürbarer Leichtigkeit erzählt ist. Landschaftliche Panoramen im Cinemascope-Verfahren oder etwa der lakonische Tonfall federn die Belastungen dieses Themas ab, ohne Tiefe zu verspielen. Ich glaube ganz grundsätzlich: Je grauslicher eine Sache ist, umso besser ist es, sie mit Humor zu erzählen. Im Leben ist nicht alles schwarz oder weiß, schon der Titel sagt, es bestehen viele Abstufungen. Selbst in Kriegszeiten gibt es lustige Momente, gibt es Sexualität. Nur weil ein Thema ernst ist, müssen nicht alle traurig sein. In dieser Hinsicht tendieren das Kino und die Medien dazu, zu verzerren. Dass Knoblauch quer durch Europa bis nach Afrika ganz legal zum Umetikettieren transportiert wird, während Menschen nicht reisen dürfen, das ist doch ein Witz. So wie die Aussage in Let’s make MONEY von dem renommierten NZZ-Journalisten, der ganz brutal meint, die Leute, die nach Europa wollen, sollen eben einen Clubbeitrag zahlen. Im Film kann man solche Dinge sehr lakonisch in einen Kontext setzen. Wie erwähnt hatte ich ein bisschen die Western im Kopf, wo es diesen gesetzlosen Raum gibt, in den die Helden hinaus reiten. Der Sheriff, der das Gesetz vertritt, kommt erst viel später. Ich habe mit dem Martin dafür ein eigenes Bildkonzept entwickelt. Wir wollten wirkungsvolle Bilder erarbeiten. Die Landschaften, die wir aufgenommen haben, sind dabei natürlich weniger entscheidend als das, was sich in ihnen ereignet. Da gibt es diese Autos und in den Autos gibt es noch Hohlräume und da sind dann Leute drin. Allein während unseres Drehs in Tanger haben wir mit eigenen Augen sechs Mal gesehen, wie junge Männer aus den Trucks herausgeholt wurden. Der Film spielt großteils in Andalusien, ist ein Roadmovie.
War klar, dass der Score vom Flamenco inspiriert wird? |
INTERVIEW MIT FRITZ KARL |
Sie haben den Truck-Führerschein tatsächlich gemacht. Mussten
Sie auch Spanisch lernen oder konnten Sie das schon? Wie war die Zusammenarbeit mit dem Kind, mit Theo? Stichwort Tiere, mit dem Hund soll es einige Anekdoten geben. Wie war die Zusammenarbeit mit Clare? Die Chemie im
Film ist sehr spürbar. Da drängt sich die Frage auf, wie war es mit ihr? Kanntet
ihr euch? Sie wurden während des Drehs ja Vater... Wie ging es mit Francesc Garrido und Wotan Wilke Möhring am
Set? Noch eine Frage zu Ihrem neuen Führerschein. Können Sie jetzt
einen LKW fahren? |
INTERVIEW MIT CLARE-HOPE ASHITEY |
Sie spielen eine Frau und junge Mutter auf der Flucht nach
Europa. Wie kann man sich auf so eine Rolle vorbereiten? Ein ernster Stoff, dennoch mit einer Prise Humor erzählt.
Entsprach das Ihrem Zugang? Wie ist es Ihnen mit den vielen Ortswechseln beim Dreh ergangen? Ja, das ist gar nicht so leicht, weil man nie mit einem Ort vertraut wird und über so ein Gefühl, Gast zu sein, nicht hinauskommt. Andererseits sahen sich unsereDrehorte in Spanien alle recht ähnlich, irgendwie hat das für die Continuity auch wieder geholfen. Schwierig war es immer wieder mit dem Wetter, besonders bei den Gewächshäusern war es gnadenlos. Es war sehr heiß, und es blies so ein starker Wind, die Plastikplanen haben so laut geflattert, dass es für den Ton schon zum Problem wurde. Am Meer brachte der Wind hingegen wunderbare Effekte. Er schlug die Wellen auf sehr dramatische Weise gegen den Strand. Fritz und ich mochten das, als wir dort zwischen den nackten Menschen drehten. Bedingungen, die man nicht kontrollieren kann, bringen immer auch einen Kick in das Projekt. Sprache spielt in dieser Geschichte eine wesentliche Rolle, Ihre Figur Jackie spricht sogar drei Sprachen und kann sich damit Handlungsraum bewahren. Ist es Ihnen leicht gefallen, zwischen Englisch, Deutsch und einer ghanesischen Landesprache zu wechseln? Ja, schon. Ga sprechen ja meine Eltern in Ghana, und ich selbst hatte Deutsch in der Schule. Es hätte also schwerer sein können, als es war. Im Lauf des Drehs habe ich wieder besser ins Deutsche gefunden. Da Jackie aus Ghana kommt, musste ich mein British English etwas vergessen und einen ghanesischen Akzent imitieren. Und auf Deutsch sollte ich wiederum einen schweizerischen Akzent haben. Das war gar nicht so leicht, ich habe keine Ahnung, wie das eigentlich klingen würde. Es machte jedenfalls Spaß. Was denken Sie über die Geschichte einer Frau, die fast ihr
Leben riskiert, um in der Schweiz den Kindesvater an seine Verantwortung zu
erinnern? Haben Sie eine Vorstellung, welchen sozialen Background diese
Frau haben könnte? Sie ist zumindest sehr couragiert und zielorientiert. Wie ist es Ihnen mit Ihrem filmischen Sohn Theo ergangen? Er soll am Set sehr
aufgeweckt gewesen sein, hatte aber wie alle Kinder dieses Alters Mühe sich zu
konzentrieren. |
INTERVIEW MIT FRANCESC GARRIDO |
Wie sind Sie zum Projekt gestoßen? Ich wurde von der Casterin angerufen, dass Erwin in Madrid gerade Schauspieler sucht. Also bin ich von Barcelona, wo ich wohne und auch viel Theater spiele, nach Madrid gefahren, und habe mit ihm einen kleinen Spaziergang gemacht. Er hat mir erklärt, was er vor hat und ich fand es eine gute Sache, die Situation der illegalen Leute in Almería in so einen Film einzubauen. Das ist ja ein offenes Geheimnis in Spanien. Was weiß man in Spanien über den
Menschenschmuggel und die Arbeitsbedingungen in Almería?
Sie spielen den Kommissar, keinen wirklichen Bad Guy, aber
einen, der genau Bescheid weiß und die Probleme lieber delegiert. Wie haben Sie
sich auf die Rolle vorbereitet? Spielte es eine Rolle, dass Sie es hier mit einem österreichischen Team zu tun hatten? Wie verlief die Kommunikation? Es ist schon anders als mit einem spanischen Team. Ich drehte danach mit einem US-amerikanischen Team und hatte wieder das Gefühl, dass irgendetwas anders sei. Aber nicht in Bezug auf die Sprache oder das Herkunftsland. Ich glaube ich habe da eine besondere Energie gespürt, das mag auch damit zu tun haben, wie involviert die Leute bei diesem Projekt waren. Zum Beispiel der Kameramann, Martin: Er agierte fast wie ein Regisseur, er drehte nicht nur, er war immer präsent. Er lebte sich in diesen Film hinein und versuchte, etwas ganz Besonderes aus diesem Film zu machen. Das spürt man als Schauspieler. Da ging es nicht nur darum, bestimmte Konventionen umzusetzen, sondern sie zu sprengen. Ich mochte das sehr.
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